Die Historikerin Brigitta Bernet hat für die Website « Geschichte der Gegenwart » und aus aktuellem Anlass der kollektiven Erinnerung an die Ereignisse der 1968er in der Schweiz den Filmhistoriker Thomas Schärer über den in den langen 1960er Jahren geführten Kampf um die Deutungshoheit sozialer Realitäten zwischen der Kunst und der Gesellschaft befragt. Der Schweizer Film spielte im Prozess gesellschaftlicher und politischer Umwälzungen eine wichtige Rolle und kreierte mit seinem Schaffen neue Bilder des gesellschaftlich Möglichen.
« « Papas Kino » ist tot hiess es 1962 in der BRD. Gegen das Kino der Väter wandte man sich auch in der Schweiz. Dieses zeichnete das Land typischerweise als alpine Idylle, die im schneebedeckten Bergpanorama gipfelte. Das war ein rückwärtsgewandtes Selbstbild, in dem die Ideologie der Geistigen Landesverteidigung und der Fortschrittsglaube der Hochkonjunktur ineinander griffen. Gegen diese Postkartenansicht wandte sich der neue Film mit Bildern, die eine andere Schweiz gleichsam von unten zeigten. Er interessierte sich für den Alltag und dafür, was an den Rändern der Gesellschaft vorging: In den Irrenanstalten, Gefängnissen, Fremdarbeitersiedlungen.Programmatisch kam dieser Aufbruch im Kurzfilmzyklus La Suisse s’interroge (1964) zum Ausdruck, den Henry Brandt an der Expo 64 in Lausanne zeigte. Seine Themen und Motive sind charakteristisch für spätere sozialkritische Filme: Arbeit und Entfremdung, Fremdenfeindlichkeit, Alter, Konsumgesellschaft, Umweltbelastung oder die Ausbeutung der Dritten Welt.» Thomas Schärer, Historiker und Filmwissenschaftler.
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