Wenn Fernsehen über sich selbst berichtet

Die SRG SSR hat den politischen Kampf um ihre Existenz gewonnen. Der Souverän hat die No-Billag-Initiative abgelehnt und somit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ihre Sympathie zugesprochen. Während des politischen Meinungsbildungsprozesses arbeiteten SRF-Journalisten daran, die Geschichte der Initiative audiovisuell aufzuarbeiten. Gestern Abend  publizierte SRF die Dokumentation « Im Kreuzfeuer – wie die SRG unter Druck kam » und präsentiert die Initiative nicht als eine am Stammtisch von Jungparteien kreierte Schnapsidee, sondern als eine logische Folge historischer Begebenheiten.

« Das Unbehagen gegenüber dem grössten Medienunternehmen der Schweiz ist nicht neu. «DOK» blickt zurück in die Geschichte der Jahrzehnte andauernden Kritik gegen die SRG. Der Film zeigt, wie rechtsbürgerliche SRG-Kritiker in den vergangenen Jahren von libertären Meinungsmachern und ihren radikalen Ideen beeinflusst wurden. »

Sehen Sie hier die Dokumentation.

Das grosse Interview

Die Neue Zürcher Zeitung führte ein Interview mit Nathalie Rickli, SVP-Nationalrätin, und Diego Yanez, MAZ-Direktor und Vorstand des Komitees « Sendeschluss Nein », zur No-Billag-Initiative durch. Der Initiativtext der Vorlage wurde dabei weniger stark debattiert, als die normative Rolle, welche die SRG innerhalb der schweizerischen dualen Medienlandschaft einnimmt. Auch zum künftigen Service-public-Auftrag geben beide Empfehlungen ab.

Rickli:  « Was mich stört: Auch die Diskussion, wie private und öffentlichrechtliche Sender nebeneinander bestehen könnten, ist immer abgeklemmt worden. Wo immer es erfolgreiche private Initiativen gab, ist die SRG umgehend mit einem Konkurrenzprodukt auf den Plan getreten. Beispiel Volksmusik: Zuerst gab es Radio Eviva, dann hat die SRG Musikwelle lanciert. Radio Virus war die Antwort auf Radio 105, DRS 3 die Antwort auf Radio 24 und so weiter. »

Yanez: « Für mich persönlich ist klar, Kern des Service public ist Information und Kultur. Was die Unterhaltung betrifft, muss man stark darauf achten, wie man sich von den Privaten unterscheidet. «Bauer, ledig, sucht . . .» etwa ist klar ein Angebot für Private. Über ein paar Angebote wird man sicher diskutieren müssen. Aber ein Sender, für den alle bezahlen, muss auch unterhalten. Sport wiederum ist auch identitätsbildend in der Schweiz. Deshalb sehe ich nicht, weshalb das nicht hineingehören sollte. Umso mehr, als die meisten Angebote nicht zu finanzieren sind über den Markt. »

Lesen Sie hier den Artikel.

So sachlich, wie die beiden Akteure im Interview die Vorlage diskutieren, verlief der Abstimmungskampf um No-Billag nicht. Die emotionalsten Aussagen zur Initiative können Sie hier im Video sehen.

Die unantastbare SRG

Das rhetorische Mittel, die SRG plakativ als heilige Kuh zu bezeichnen, ist nicht fremd und zielt auf die Unantastbarkeit der SRG in der schweizerischen Gesellschaft ab. Im 2015 erschienen Band Weniger Staat, mehr Freiheit schrieb CVP-Präsident Gerhard Pfister: « Indien hat seine heiligen Kühe, die Schweiz hat ihre SRG ».

Nun, drei Jahre später und vor dem Hintergrund der bevorstehenden No-Billag-Initiative, publiziert der Watson-Redaktor Peter Blunschi ein Kommentar unter dem Titel: Wie die Armee im Kalten Krieg. Die SRG ist die «heilige Kuh» von links und attestiert der SRG nicht nur ein für Kritik unempfängliches Gebilde zu sein, so wie es während des Kalten Krieges die Schweizer Armee war, sondern wirft ihr zusätzlich marktverzerrendes Verhalten vor. Blunschi kritisiert insbesondere die kostenlosen publizistischen Angebote der SRG im Internet, die Kreation von neuen Sendegefässen als Reaktion auf neue Konkurrenzgefässe und die Schaffung der Werbeallianz Admeira.

« Den meisten No-Billag-Gegnern geht es sehr wohl darum, die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft vor dem «Untergang» zu retten. Für die überwiegend aus dem Mitte-links-Lager stammende Fangemeinde ist die SRG, was die Armee im Kalten Krieg für Mitte-rechts war. Eine «heilige Kuh». »

 Lesen Sie hier den Kommentar von Peter Blunschi.

 

Kritische Kommentare zur SRG haben in diesen Zeiten politischer Meinungsbildung Konjunktur. So hat sich bereits im Dezember 2017 NZZ-Chefredaktor Eric Gujer kritisch zur SRG geäussert. Er publizierte ein Artikel, in dem er erörtert, warum die Schweiz keine Staatsmedien brauche. Den Artikel können Sie hier lesen. Als Gegenposition lesen Sie hier ein auf dem Blog Geschichte der Gegenwart veröffentlichter Artikel, geschrieben von der Journalistin Sieglinde Geisel.

Aber auch Gegenstimmen kamen in den letzten Tagen zu Wort. Als Kritiker der No-Billag-Initiative hat sich der Medienpionier und Radio-Unternehmer Roger Schawinski geäussert. In seinem Buch « No-Billag? Die Gründe und die Folgen » nimmt er zur Initiative äusserst kritisch Stellung. Die NZZ hat ausführlich über den Inhalt des Buches berichtet.

 

 

Scharfe Kritik an SRG

Gerhard Pfister, Parteipräsident der CVP, äusserte über soziale Netzwerke scharfe Kritik an die SRG. Ihm missfiel die allgemeine Berichterstattung von SRF über Ernesto Che Guevara, der vor fünfzig Jahren starb. Pfister bemängelte die journalistische Arbeit als undifferenziert und resümierte süffisant, dass der SRG halt nicht mehr zu helfen sei. Die Kritik stiess innerhalb der CVP, die traditionsgemäss zu den Befürwortern der SRG gehört und geschlossen gegen die No-Billag-Initiative kämpft, auf Unmut. Daraufhin hat sich Pfister ein Maulkorb auferlegt und will sich bis zur No-Billag-Abstimmung nicht mehr zur SRG äussern.

Der Artikel der NZZ am Sonntag können Sie hier lesen. Das Newsportal der Zeitung Blick berichtete ausserdem von einem digitalen Wortgefecht zwischen Pfister und SRF-Chefredaktor Tristan Brenn.

Gerhard Pfister gehört zu den schärfsten Kritikern der SRG. Erst kürzlich kritisierte er in der Weltwoche die Doppelmoral und die Selbstdarstellung mit welcher die SRG Politik betreibe und machte publik, dass seine Kritik  bei der SRG mit Drohgebärden quittiert werde.

Seine kritische Haltung äusserte Pfister nicht alleine über mediale Kanäle. 2015 publizierte er im Sammelwerk « Weniger Staat, mehr Fernsehen » ein Artikel, der die gesellschaftliche Klammerfunktion der SRG hinterfragt und sie als politische Mythenbildung abtut. Ein Jahr davor sprach er sich im Band « Medien und Öffentlichkeit » für einen liberalen Medienmarkt aus und kritisierte die bevorzugte Marktstellung der SRG. (Vgl. Scheu (Hg.), Weniger Staat mehr Fernsehen. S. 55-65. und Greuter et. al (Hg.), Medien und Öffentlichkeit. S.56-63.)

 

Ständerat kritisiert SRG-Kooperationen

Vorgestern teilte der Nationalrat der No-Billag-Initiative eine Abfuhr, gestern sprach sich der Ständerat für eine Regulierung der SRG in den Bereichen ein, wo private Medienanbieter wirtschaften können. Der Ständerat folgt somit der von der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates eingereichten Motion zur Gewährleistung der Medienvielfalt in der Schweiz.

 

Die Debatte ist hier nachlesbar. Der genaue Wortlaut der Motion ist unter diesem Link verfügbar. Und für einen einordnenden Text klicken Sie auf diesen Link, der führt Sie zum Artikel der NZZ.

Den Onlinemedien ein Gesetz geben

Der Bundesrat erarbeitet ein neues und umfassendes Mediengesetz. Neu sollen die Spielregeln für digitale Plattformen und Onlinemedien erfasst werden. Laut der NZZ aber entbehrt sich dem Gesetzgebungsverfahren die Verfassungsgrundlage, was zu  kurzfristigen Gesetzesregelungen führen werde.

« Der Ausgang der laufenden Service-public-Debatte ist völlig ungewiss; zugleich steht die No-Billag-Initiative vor der Tür. Unsere Verfassung bietet sodann keine Grundlage für eine allgemeine Medienpolitik des Bundes, sondern allein für Radio und Fernsehen. Auch wenn die No-Billag-Initiative kaum eine Chance hat: Von den seinerzeitigen bundesrätlichen Feststellungen ausgehend, wären derzeit die Voraussetzungen für den Erlass eines Mediengesetzes nicht gegeben. »

       Lesen Sie hier den Artikel.